Bereits die Studienfachwahl junger Frauen im Bereich Technik zeigt, dass technische Studienfächer mit einem klar erkennbaren Bezug zu Nachhaltigkeit gegenüber klassischen Studienfächern bevorzugt werden: So lag der Frauenanteil im Studienfach Umwelttechnik im Wintersemester 2013/2014 zum Beispiel bei 32,3 Prozent. Der Frauenanteil im Studienfach Elektrotechnik mit 12,6 Prozent fiel dagegen vergleichsweise gering aus (Statistisches Bundesamt 2015). Für den Frauenanteil in Ausbildungsberufen des dualen Systems lässt sich eine solche Aussage leider nicht herleiten, da Nachhaltigkeitsbezüge in den Ausbildungsbezeichnungen und -ordnungen fehlen (siehe hierzu auch Kuhlmeier et al. 2014). Einzige Ausnahme ist der duale Ausbildungsberuf Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik mit einem äußerst geringen Frauenanteil von 1,3 Prozent in 2013 (neu abgeschlossene Ausbildungsverträge) (Bundesagentur für Arbeit 2014).
Inwiefern sich der Wunsch von Frauen, in einem Beruf zu arbeiten, der mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung im Einklang steht, auf die Wahl eines technischen Berufs tatsächlich auswirken kann, hat seit März 2012 ein Promotionsvorhaben von Pia Spangenberger an der TU Berlin am Beispiel des Windenergiesektors untersucht. Im Rahmen einer qualitativen Analyse befragte die Volkswirtin des Wissenschaftsladen Bonn e.V. insgesamt 40 Personen zum beruflichen Werdegang, darunter 30 berufstätige Frauen und Männer aus dem Windenergiesektor sowie 10 Experten/innen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Nachhaltigkeitsbezug für die Berufswahl von Frauen eine stärkere subjektive Bedeutung hat als für Männer. So erwähnten mehr Frauen als Männer unaufgefordert, dass sie ihren Beruf ausüben, um einen gesellschaftlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Frauen wie Männer empfinden es als positiv, beruflich etwas Gutes tun zu können, die persönliche Überzeugung auszuleben und betonen das starke Dazugehörigkeitsgefühl im Sektor. Ganz besonders auffällig ist auch der Wunsch, langfristig in der Windenergietechnik tätig bleiben zu wollen.
Allerdings berichteten die befragten Frauen, ebenfalls unaufgefordert, von verschiedenen Formen der Diskriminierung in ihrer beruflich-technischen Laufbahn. Dazu zählt zum Beispiel, dass sie sich als Frau während Studium oder Berufsausbildung beweisen und in ihrem Umfeld für ihre Berufswahl rechtfertigen mussten. Einige der befragten Frauen haben außerdem erst über Umwege eine technische Qualifikation erlangt, zu Beginn ihrer Karriere hatten sie sich diese zunächst nicht zugetraut. Ihr starkes Interesse an Nachhaltigkeit, speziell den Erneuerbaren Energien, wurde als ein Anreiz genannt, dennoch einen technischen Beruf zu ergreifen. Die befragten Männer thematisierten Schwierigkeiten aufgrund ihrer sozialen Rolle im Vergleich dazu nicht.
Als Schlussfolgerung für die Berufsorientierung von Mädchen im Bereich Technik lässt sich also festhalten, dass technische Berufe für Mädchen an Attraktivität gewinnen, wenn sie einen Nachhaltigkeitsbezug haben. Gleichzeitig sind Bildungseinrichtungen und Unternehmen gefordert, ein Lern-, Lehr- und Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mädchen ebenso akzeptiert fühlen wie Jungen. Denn das Engagement aller MINT-Initiativen zur Berufsorientierung von Mädchen verpufft, wenn sie in ihrem künftigen Arbeitsumfeld nicht willkommen sind (vgl. auch Haffner 2007).
Die Dissertation „Zum Einfluss eines Nachhaltigkeitsbezugs auf die Wahl technischer Berufe durch Frauen. Eine Analyse am Beispiel des Windenergiesektors“ von Dr. Pia Spangenberger ist im April 2016 hier veröffentlicht worden.
Literaturangaben
Bundesagentur für Arbeit (2014): Anlagenmechaniker/in. BERUFENET, Berufsinformation einfach finden. Druckversion. Online verfügbar unter http://www2.bibb.de/bibbtools/tools/dazubi/data/Z/B/30/1005.pdf, zuletzt geprüft am 28.09.2015.
Haffner, Yvonne (2007): Mythen um männliche Karrieren und weibliche Leistung. Opladen: Barbara Budrich.
Kuhlmeier, Werner; Vollmer, Thomas; Mohoric, Andrea (Hg.) (2014): Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung. Modellversuche 2010 – 2013: Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und Ausblicke. Bundesinstitut für Berufsb: Bildung (BIBB). Bielefeld: Bertelsmann.
Statistisches Bundesamt (2015): Bildung und Kultur. Studierende an Hochschulen. Fachserie 11 Reihe 4.1. Wiesbaden (Artikelnummer: 2110410157004). Online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/StudierendeHochschulenEndg2110410157004.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt geprüft am 28.09.2015.