Suchen Mädchen weibliche Hilfestellung bei technischen Problemen? Teilergebnisse der Avatarinnen-Studie

Obwohl die Leistungen von Mädchen in technisch-naturwissenschaftlichen Schulfächern mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sind als die Leistungen der Jungen (Pant et al. 2013), sind Frauen in technischen Berufen unterrepräsentiert. Zu den vielschichtigen Gründen hierfür zählt unter anderem der Stereotyp, technische Berufe seien etwas „männliches“, der von der Gesellschaft reproduziert wird und sich nicht zuletzt auch auf die Selbsteinschätzung der Mädchen auswirkt (Viehoff 2015). Laut Battistini (2015) können weibliche Vorbilder, die Erfolge in technischen Berufen oder technische Kompetenz vorleben, ein geeignetes Mittel sein, um das Selbstbewusstsein von Mädchen zu stärken. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, das Vorbildkonzept auch in das Serena Game zu integrieren, indem technisches Wissen durch weibliche Charaktere erlebbar gemacht wird. Der Einsatz weiblicher Vorbilder wirft jedoch einige Fragen auf.

Sind Mädchen offen für weibliche Hilfestellung bei einem technischen Problem oder stecken auch sie in dem Stereotyp fest? Handeln Sie ganz nach dem unzutreffenden Klischee: Wenn ich mich mit meiner Freundin gestritten hab, dann weiß Mama bestimmt Rat, aber wenn mein Fahrrad kaputt ist, dann frage ich Papa, ob er es reparieren kann. Ist technische Kompetenz etwas, das wirklich nur Jungen und Männern zugeschrieben wird? Um unter anderem diese Fragen zu beantworten, haben wir 116 Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 16 Jahren befragt. Wir wollten wissen, für welchen von sechs Charakteren die sich entscheiden würden, wenn sie um Hilfe bei einem technischen oder einem sozialen Problem bitten müssten und warum. Zusätzlich hat uns interessiert, welche Vorstellung sie von dem Aussehen einer technisch kompetenten Frau haben. Auch hier konnten die Mädchen und Jungen aus verschiedenen Bildern auswählen und Gründe für ihre Wahl angeben. Ein Ziel der Befragung war es, ein Konzept zu entwickeln, wie ein Non-Player Charakter im Serena Game gestaltet werden kann, der der Avatarin bei der Lösung unterschiedlicher Probleme Hilfestellungen anbietet.

Befragungsergebnisse

Geschlecht. Die Befragung zeigt, dass Mädchen sowohl eine männliche als auch eine weibliche Person bei technischen Problemen, wie dem Reparieren eines Ventilators, um Hilfe bitten würden. Bei den Jungen hingegen wählten 75 Prozent eher einen Mann als Unterstützer. Nur eine der Befragten gab als Begründung für ihre Wahl das Klischee an: „Männer = Technik, ist halt so“. Die Mehrheit sagte, sie hätten die Person gewählt, die ihnen am freundlichsten, sympathischsten oder hilfsbereitesten erschien. Dies traf sowohl auf die weiblichen als auch auf die männlichen Charaktere zu. Konfrontiert mit einem sozialen Problem, wie einem Streit im Freundeskreis, würden die meisten Mädchen einen weiblichen Charakter um Hilfe bitten.
Auswahl an Feedbackgeberinnen für Mädchen und Jungen

Alter. Werden die Ergebnisse der Befragung hinsichtlich des Alters der präsentierten Charaktere betrachtet, so zeigt sich, dass Mädchen bei einem technischen Problem eine Person mittleren Alters fragen würden, bei einem sozialen Problem eine Person mittleren oder jüngeren Alters. Die Jungen bevorzugten sowohl bei einem technischen als auch bei einem sozialen Problem eine Person mittleren Alters.

Äußerlichkeiten. In Bezug auf das Aussehen der weiblichen Feedbackgeberinnen wählten Mädchen wie auch Jungen bei einem technischen Problem den Charakter ohne Schminke. Sie gaben dafür Begründungen an wie: „Leute mit Make-up sind meist weniger Technik interessiert“ oder „Ich bezweifele, dass eine Person, die viel Schminke trägt, gut reparieren kann“. Auch bei einem sozialen Problem wurde die ungeschminkte Feedbackgeberin bevorzugt. Ihr wird im Vergleich zu der geschminkten eher zugeschrieben, dass sie freundlich, nett und sympathisch sei. Vor die Wahl gestellt, präferieren Mädchen eine Brille tragende Feedbackgeberin, wenn es um die Unterstützung bei einem technischen Problem geht. Bei einem sozialen Problem soll ein Charakter ohne Brille helfen. Die Feedbackgeberin mit Brille wurde überwiegend als intelligent wahrgenommen und wirke gleichzeitig aber auch nett und sympathisch.

Als Fazit kann geschlossen werden, dass Mädchen weiblichen Charakteren durchaus technische Kompetenzen zuschreiben und sie bei technischen Problemen um Hilfe bitten würden. Wichtiger scheint aber, dass die Unterstützerin nett, sympathisch und hilfsbereit ist. Bezüglich des Aussehens einer weiblichen Feedbackgeberin, die bei technischen Problemen hilft, sprechen die Ergebnisse zwar für das Klischeebild einer ungeschminkten, Brille tragenden Frau, aber diese Präferenz beschränkt sich nicht nur auf den technischen Bereich. Die befragten Mädchen bevorzugen generell den ungeschminkten Charakter. Und die Brille wird mit Intelligenz, nicht mit technischer Kompetenz verknüpft. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass im Rahmen des Serena Games (virtuelle) technikkompetente Frauen mittleren Alters und ohne viel Make-up als Non-Player Charaktere auftreten sollen. Diese könnten als Vorbilder wirken und dazu beitragen, das Fähigkeitsselbstkonzept von Mädchen zu stärken und sie für technische Berufe zu gewinnen. Mit dem Ziel, dass es bald heißt: „Frauen = Technik, ist halt so.“

Anmerkung: Dieser Artikel bildet nur einen kleinen Teil der Ergebnisse ab, die im Rahmen der Befragung gewonnen wurden. Weitere Ergebnisse werden noch ausgewertet und im Anschluss publiziert. Rückfragen an Dr. Felix Kapp, TU Dresden.

 


Battistini, M. (2015). Ganz normale Exotinnen. In S. Augustin-Dittmann, & H. Gotzmann (Hrsg.), MINT gewinnt Schülerinnen (S. 93-110). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Pant, H. A., Stanat, P., Schroeders, U., Roppelt, A., Siegle, T., & Pöhlmann, C. (2013). IQB-Ländervergleich 2012. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann.

Viehoff, E. (2015). MINT-Image und Studien-und Berufswahlverhalten von jungen Frauen und Mädchen. In S. Augustin-Dittmann, & H. Gotzmann (Hrsg.), MINT gewinnt Schülerinnen (S. 79-91). Wiesbaden: Springer Fachmedien.

 

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